3 Tipps für mehr Achtsamkeit im Praxis-Alltag
Vor einigen Jahren durfte ich einen Artikel zum Thema “Achtsamkeit in der Podologie” fachlich lektorieren, und bei der Gelegenheit fiel mir auf, wie abgedroschen und ausgelutscht die meisten Tipps zum Thema Achtsamkeit sind. Dabei ist es unsere Pflicht, als “gebender” Beruf auf uns selbst zu achten.
Ich habe sofort Bilder von Frauen vor mir, die ständig an offenen Fenstern tief durchatmen, dabei in den dampfenden Ingwertee blasen oder (richtig eklig) sich frischen Kurkuma für eine Tasse golden Milk mörsern.
Nichts gegen offene Fenster, ayurvedische Kultur und Pausen- ich denke die Podologin von heute braucht andere Maßnahmen, um achtsam mit sich selbst umzugehen. Gut zu sich selbst zu sein, ohne die Patienten zu vernachlässigen- das geht!
Welche Stressfaktoren hat die Podologie?
Wenn man sich unter Kollegen umhört, gibt es bei aller Liebe zum Beruf doch einige Faktoren, die Stress auslösen.
Schlimm wird es, wenn es sich um keine einmaligen Vorkommnisse handelt, sondern immer wieder das Gleiche nervt, vielleicht auch mehrfach am Tag.
Wer das erkennt und genau benennen kann, hat schon den wichtigsten Schritt zur Besserung getan!
Häufige Stressfaktoren sind:
- Zeitdruck
- ausufernde Arbeitszeiten, keine Pause, schrumpfende Freizeit
- das Telefon, die große Nachfrage und die fordernde Haltung der Patienten
- Preise, Behandlungsverträge und Praxisregeln durchsetzen
- Verordnungsmanagement und
- Sorge vor Kontrollen, Absetzungen und das Gefühl, willkürlichen höheren Mächten ausgeliefert zu sein
Die wichtigste Erkenntnis: Der Stress entsteht nicht durch die Tätigkeit, sondern durch organisatorische Mängel.
Achtsamkeit durch Organisation
Das Ziel muss demzufolge sein, die Dinge auszuwählen, die am meisten nerven und die größte Abwehrreaktion hervorrufen.
Regt mich immer wieder die Diskussion an der Kasse auf? Oder stören mich fordernde, aggressive Telefonanrufe? Ärgert mich, dass ich Arbeit mit nach Hause nehme, und die Freizeit leidet? Alles auf einmal muss man ja nicht ändern, aber Schritt für Schritt kann jeder Bereich verbessert werden.

1) Plane Notfälle nicht in deine Mittagspause
So einfach, und doch ein Riesenproblem: niemand hat freie Zeitschienen für “Unvorhergesehenes”. Dabei passiert das Unvorhergesehene doch jeden Tag?
Wenn ich Auszubildende frage, wie häufig das Praxisteam miteinander Pause macht, schaue ich immer in ratlose Gesichter- gemeinsame Pause, was ist das? Kurzfristig passiert ja auch nichts schlimmes, wenn man mal eine Pause ausfallen lässt. Langfristig schadet diese Vorgehensweise aber dem Betriebsklima und der eigenen Gesundheit.
Um wieder Zeit für die Pause, für Gespräche, ein gesundes und entspanntes Essen und einen kleinen Spaziergang (woooah, verrückter Gedanke?) zu haben, hilft nur eins:
Notfälle auf eine blockierte Schiene planen, zum Beispiel um die Pause(n) herum oder kurz vor Tagesabschluss.
2) Lass dir deine Öffnungszeiten nicht diktieren
Unsere Pflicht sind 25 Stunden Verfügbarkeit, inklusive Hausbesuchen. Nirgendwo, in keinem unserer Verträge stehen Kernarbeitszeiten.
Klar ist dein Betrieb wahrscheinlich tagsüber an Werktagen geöffnet. Es gibt aber keine Pflicht, Wünsche zu erfüllen, die außerhalb der eigenen Machbarkeit und Komfortzone liegen.
Wenn du morgens Sport machen willst- plan ihn dir. Wenn du mittags für deine Kinder kochen möchtest- blockier die Zeit. Du hast keine Lust, in der Dunkelheit abends bis 20:00 für Arbeitnehmer da zu sein? Lass es bleiben.
Warum sage ich das so plakativ? Aus zwei Gründen:
- Den eigenen Biorhythmus zu kennen und zu beachten, ist ein sehr wichtiger Beitrag zur eigenen Gesundheit. Eule oder Lerche, genau darauf darfst du als Selbständige endlich Rücksicht nehmen ohne dich verbiegen zu müssen.
- Zeit in Sport und Bewegung zu investieren, ist eine Vorsorgemaßnahme, die unsere Arbeitsfähigkeit erhält. Wer das nicht regelmäßig tut, bekommt wahrscheinlich eines Tages die Quittung- sehen wir bei unseren Patienten als lebende Beweise.
>>>Ein kranker Podologe fällt für die Versorgung aus; deshalb ist es besser, heute ein paar Stunden weniger zu behandeln, ein paar Patienten weniger zu versorgen, als das Risiko zu einzugehen, gar niemanden mehr behandeln zu können.<<<
Der einzige Grund, der meiner Meinung nach gegen eine solche biorhythmische Planung spricht, ist die maximale Auslastung der Praxisräume.
3) Reduziere Diskussionen durch Informationen
Aufnahmestopp, Terminverschiebungen, Absagen…das Telefon ist Stress pur.
Manchmal entlädt sich bei uns der aufgestaute Frust mit dem Gesundheitswesen, aber es reicht auch das tägliche Unverständnis, warum man keine Ausnahme machen und noch abends-mittags-am Samstag jemanden reinnimmt….wollen Sie kein Geld verdienen?
Ein Anrufbeantworter mit einer programmierbaren Ansage ist Gold wert!
Es schont die Nerven, wenn im Vorfeld jeder ausgefiltert wird, der keinen Rückruf bekommen muss/soll. Keine Zeit für Erklärungen verplempern, die ohnehin nicht in Verständnis münden. Das spart Zeit und Ärger!
zwei Möglichkeiten der Anrufkontrolle
- Die Servicehotline: Die Praxisnummer wird zur Servicehotline, in der für verschiedene Bedürfnisse Ziffern gedrückt werden müssen (Termin absagen oder verlegen- die 1; Platz auf der Warteliste anfragen- die 2; alles andere- die 3)
- Eine freie Ansage ist einfach gemacht. Wer direkt mit der Ansage eine Absage erhält, darf auch nicht mit einem Rückruf rechnen. Beispielsweise so: “Leider können wir aktuell keine Termine für Neupatienten anbieten. Bitte wenden Sie sich an Ihre Krankenkasse, um Adressen von umliegenden Praxen zu erhalten. Sind Sie bereits Patient bei uns, freuen wir uns über Ihre Nachricht nach dem Signal:..”
Fazit:
Auch ohne golden Milk ist Achtsamkeit möglich.
Deine Gesundheit und Arbeitskraft darf nicht durch tägliche Ärgernisse leiden. Wenn du Muster erkennst, die dir ein Dorn im Auge sind, trau dich, sie zu verändern.
Mein ursprünglicher Vorschlag für den Artikel war übrigens, dass besonders schöne Unterwäsche unter dem Kasak auch eine Form von Achtsamkeit sein kann und das Wohlbefinden von Podologinnen und Podologen steigert- der Vorschlag wurde aber leider von der Redaktion nicht angenommen 😉
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Übrigens gibt es wirklich tolle Maßnahmen zur Stressreduktion (und anderen Problemstellungen) in Form von Präventionskursen– mit Kostenübernahmen durch die GKV; Infos findest du hier:
Zu den Infos zur Kostenübernahme für Präventionskurse geht es hier: https://www.krankenkassen.de/gesetzliche-krankenkassen/leistungen-gesetzliche-krankenkassen/gesundheit/Gesundheitskurse/
Welche Dinge helfen Dir, den Alltagswahnsinn zu überstehen?
Bleib gesund,
deine Anja
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