10 Fehler der Podologie – Teil 2

Teil 2:

5 weitere Probleme der Podologie

Nachdem ich in der vergangenen Woche über die ersten 5 Punkte hergefallen bin, ist jetzt Teil zwei dran. Alles in Maßen.

Es geht mir nicht um Podologie-Bashing! Eigentlich widerstrebt es mir sehr, diese ganzen Punkte einfach „nur“ aufzuzählen, meiner Meinung nach muss immer zwingend sofort ein Plan zur Verbesserung her. Der kommt auch, versprochen. Am Ende des Beitrags sind schon erste Ausblicke.

Jetzt geht es mir zunächst darum, unsere Besonderheiten zu sehen und für die Zukunft im Hinterkopf zu behalten.

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6) Beruf ohne durchlässige Karriereschritte

Was ist für den Nachwuchs, also Interessenten attraktiv? Meistens andere Dinge als nur das Geld. Geld ist wichtig, aber nicht lebensentscheidend.

Wichtige Anreize sind Entwicklungsmöglichkeiten: ob es unterschiedliche Positionen, Arbeitsbereiche und Aufstiegsmöglichkeiten gibt.

Außerdem fällt eine Ausbildung leichter, wenn sie in Häppchen unterteilbar ist, und nicht als eine große Hürde vor einem steht.

Uns fehlen also zwei Punkte:

Eine in Einstiegs- und Aufbauqualifikationen gegliederte Ausbildung,

und Aufstiegsweiterbildungen, die anschließend Karriereoptionen ermöglichen.

Natürlich kann man sich innerhalb einer Praxis entwickeln. Das ist aber auch der einzige Arbeitskontext, der realistisch vorhanden ist (aus Sicht eines Berufsinteressenten!).

Was kann man nicht?

Stellen im öffentlichen Dienst in gehobenen Positionen besetzen, in die universitäre Forschung gehen, in der Sportmedizin oder Rehabilitation arbeiten, in einer Uniklinik Teamleitung werden.

Diese Positionen sind zwar nicht direkt verwehrt, aber auch nicht gerade vorgeebnet, und nicht über podologische Weiterbildung, sondern nur über Umwege erreichbar.

Wer solche Positionen anstrebt, muss sich selbst den Weg bahnen, es gibt keine Role Models, Vorbilder oder Ansprechpartner.

7) Finanzielle Bremsen bei der Professionalisierung

Wir sind erst 20 Jahre jung, und können nicht erwarten, dass wir auf Dinge zurückgreifen können, die andere Berufe sich seit Jahrzehnten erarbeitet haben.

Trotzdem fehlen uns einige Grundlagen, und zwar täglich und schmerzlich.

Diese Grundlagen fehlen:

  • Richtig tolle, aktuelle Profi-Podologie-Lehrbücher für die Ausbildung
  • Standards für Behandlungen, die tiefer gehen als die Leistungsbeschreibung
  • Forschung über bestmögliche Behandlungen und Vorgehensweisen
  • Modellvorhaben bzw. Praxen, die Modellversuche wissenschaftlich begleiten
  • Akademisierungsangebote

Woran liegt das?

Ein Fachverlag wie z.B. Springer interessiert sich nur für die Verlegung eines Lehrbuches, wenn eine kritische Masse an Käufern zusammenkommt. Reichen unsere ca. 400-500 Examensabsolventen in Deutschland pro Jahr?

Quelle: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a2_tab_a6-1-4-3_2018.pdf und https://www.bibb.de/dienst/publikationen/en/download/18085

Ebenso braucht eine Universität bzw. private Hochschule ein Mindestmaß an Interesse, um Studiengänge zu konzipieren- und um Forschungseinheiten, Labore und Modellvorhaben einzurichten, bräuchte es staatliche Unterstützung.

Dabei beißt sich die Katze selbst in den Schwanz: wenn ich durch ein Studium keine sicheren Karriereoptionen erlange, warum sollte ich dann rund 15.000 € in eine private Hochschule investieren?

Die Verantwortung für diese Investitionen ist nicht so ganz geklärt, denn das Sozialgesetzbuch sieht sowohl die Leistungserbringer, aber auch das Bundesgesundheitsministerium und die GKV in der Verantwortung, die Qualität der Leistungen bei aller Wirtschaftlichkeit auf dem neuesten fachlich-wissenschaftlichen Standard zu erbringen. Nur woher soll der kommen?

Zitat: (1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/70.html

(…) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/2.html

 

8) Der Frauenanteil überwiegt

Frauen haben bei aller Gleichberechtigung bestimmte Probleme, die sich schwierig überwinden oder einfach schönreden lassen.

Mag im Einzelfall alles nicht zutreffen (wir haben ja auch Alphatiere 😊), in der Summe ist es aber so.

Wer Tiefeninfos zum Thema Steuern sucht, der klickt hier: https://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_106.pdf

Aktuelle Bestrebungen, das Steuerrecht zu reformieren:

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/paus-forderung-steuerreform-benachteiligung-ehefrauen-100.html

https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-03/lisa-paus-reform-steuerklassen-lohngerechtigkeit-rente-altersarmut?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

Für Infos zum Thema Gender Care Gap klick hier:

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294

 

9) Dauerpatienten:

Und täglich grüßt das Murmeltier

Wir haben eine Sonderrolle unter den Therapeuten mit unserer Dauertherapie.

Warum? Eine Neuropathie ist unheilbar, und mündet in eine lebenslange Begleitung/Therapie.

Andere Therapeuten haben auch Dauerpatienten, z.B. zur Lymphdrainage oder nach einem Schlaganfall, aber das ist nur ein kleiner Anteil in den Praxen. Zudem wird auch bei den Dauerbrennern immer wieder eine Therapie-Pause oder ein Therapeuten Wechsel eingeplant. Nicht immer, aber oft.

Bei uns ist es genau umgekehrt: die Dauerbrenner machen den Löwenanteil aus, und bleiben am liebsten bei ihrer Therapeutin. Therapie-Pausen sind nicht vorgesehen.

Das macht etwas mit uns, und mit den Patienten.

 

Tabelle: Auswirkungen von Dauertherapien
Tabelle: Auswirkungen von Dauertherapie

Eingefahrenheit birgt Gefahren!

Ich finde es fast schon fahrlässig, dass wir teilweise Patienten dazu ermuntern, niemals selbst Hand an ihre Füße zu legen, sobald sie in podologischer Behandlung sind.

Corona war eine Zwangspause, aber auch längere Krankheit oder die Rente der Podologin können Menschen in Versorgungsnot bringen. Dann ist es gut, wenigstens eine Minimalversorgung bewerkstelligen zu können oder zu wissen, welche Alternativen es gibt.

Außerdem ärgert mich, dass manche unmotivierte Menschen Podo-Plätze belegen, die andere dringend benötigen, und mit einer Selbstverständlichkeit podologische Sozialleistungen in Anspruch nehmen, als wäre es eine Dienstleistung.

 

10) Ausbrennen durch Überforderung –

oder zu Tode langweilen?

Burn out oder Bore out? Wir sind durch beides gefährdet.

Überforderung durch übermäßige Nachfrage und Überregulierung, bei gleichzeitiger lebenslanger Dauerschleife. Da braucht man starke Nerven!

Ich finde, es ist ein schleichender Prozess: auch ich wünsche mir eine Balance zwischen gesunder, fordernder therapeutischer Arbeit, kann aber auch nicht von morgens bis abends nur high-End 100 % Performance abliefern. Das laugt ebenfalls aus.

Deswegen freue ich mich auch über den ein oder anderen easy-peasy Patienten, der nix braucht und nix will.

Wie ist der ideale Mix? Und was macht das System mit uns? Die goldene Mitte liegt bei jedem anders.

Fazit

  1. Die hohe Nachfrage
  2. Das erste Berufsgesetz
  3. Kleine non-Profit Vertretung statt Lobby
  4. Schwammige Abgrenzung zur Fußpflege
  5. Nur ambulante Betriebe
  6. Keine durchlässigen Karriereschritte
  7. Finanzielle Bremsen bei der Professionalisierung
  8. Der Frauenanteil überwiegt
  9. Dauerpatienten
  10. Ausbrennen durch Überforderung- oder zu Tode langweilen?

Einige der Dinge, die uns zu schaffen machen, haben wir selbst in der Hand:

der Umgang mit Dauerpatienten, die Arbeitsbelastung im Blick zu haben, das Unterdrücken einer frauen-typischen Haltung. Unsere Verbände wählen wir selbst, und die gewählten Vertreter realisieren innerhalb des Möglichen unsere Wünsche.

Anderes liegt außerhalb unseres Einflussbereichs:

deutsches Steuerrecht, die Nachfrage nach unseren Leistungen, die Auszubildendenzahlen.

Zwischendrin sind Themen, die sowohl von uns, aber auch von der Politik beeinflusst werden müssen:

Forschung, Bildung, Karriereoptionen und Teilhabe im Gesundheitswesen, die Berufsgesetzgebung und die Abgrenzung zur Fußpflege.

 

Fehlen dir wichtige Dinge?

Mir fällt spontan noch „Bürokratie“ und Haftung für die Fehler Anderer (= falsch ausgestellte Verordnungen) ein.

In der Hinsicht sind wir allerdings mit allen anderen Heilmittelerbringern gleich- gleich benachteiligt.


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